Die bettertrust GmbH hat Prof. Dr. Martin Užik und Dr. Jan Peter Firnges zum Aufgabenbereiche des BIFID und dessen Verhältnis zur Digitalisierung interviewt. Das ganze Interview können Sie hier nachlesen.
1. Herr Prof. Dr. Užik, Herr Dr. Firnges, was lag Ihnen bei der Gründung des BIFID besonders am Herzen? Was möchten Sie erreichen, was möchten Sie verändern?
Prof. Dr. Martin Užik: Das Ziel war, ist und wird die Vermittlung des durch die Forschung generierten Wissens an die Praxis bleiben und zwar auf eine verständliche Art und Weise. Und auch wenn dies sehr plakativ klingt, so sehen wir uns eindeutig als Aufklärer in der Digitalen Welt. Die Menschheit unterliegt oft verschiedenen Modetrends und Zwängen und wir wollen im Bereich Digitalisierung zur Aufklärung beitragen. Alle Nicken immer wenn Sie hören, dass Web 4.0 oder Digitalisierung oder Digitale Transformation umzusetzen ist. Wir plädieren dafür die Frage zu stellen: „Versteht denn jeder was darunter gemeint ist?“ Unserer Ansicht nach nein. Und diese Wissenslücke wollen wir schließen.
2. Digitalisierung ist in aller Munde. Welcher Aspekt ist hier besonders wichtig für das BIFID? Wo besteht Ihrer Ansicht nach am meisten Potential in Deutschland?
Prof. Dr. Martin Užik: Die Eingrenzung auf Deutschland ist nicht ganz korrekt. Denn die Internetinfrastruktur hat uns de facto alle Grenzen abgeschafft. Es gibt gegebenenfalls irgendwelche gesetzlichen Restriktionen, aber das ist auch schon alles. Uns geht es um das Verständnis. Bevor wir Digitalisierung einsetzen, müssen wir Digitalisierung verstehen. Und das ist schon der erste Irrglaube, den wir ausräumen müssen, obwohl wir selber stets den Begriff Digitalisierung verwenden: Digitalisierung ist lediglich Mittel zum Zweck. Der Begriff beschreibt eigentlich die Erfassung und Verwahrung von Informationen auf eine bestimmte „digitale“ Art und Weise. Wir möchten dazu beitragen, dass das komplexe Universum der Informations- und Datenverarbeitung inklusive dem Sinn dahinter verstanden werden kann.
Dr. Jan Peter Firnges: Es geht auch eindeutig um die Differenzierung: Begriffe wie Automation, Digitalisierung und Computerisierung müssen unterschieden werden.
3. Welche Finanzinnovationen sehen Sie als sinnvoll an, welche sind nicht zukunftsfähig und warum?
Prof. Dr. Martin Užik: Das können wir nicht beantworten. Der Kunde, die Menschen entscheiden oft individuell und emotional, was richtig und gut ist. Daher sind wir nicht in der Lage irgendwelche Art von Prognosen in Bezug auf den Erfolg von Innovationen abzugeben. Und dies obwohl wir ein Ratingmodell für innovative Start-Up-Unternehmen entwickelt haben und wir dies mit einer bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeit schon sagen könnten. Dennoch lässt sich prinzipiell sagen, dass wir uns als Menschen die Welt sehr komplex und kompliziert gestaltet haben und von diesem Niveau wollen wir nun weg, indem zahlreiche Prozesse automatisiert und optimumsorientiert ablaufen sollen. Bis eben hin zur automatischen Abnahme der Entscheidungshoheit, wo wir uns in der KI-Welt befinden.
4. Sie sprechen vom „neuen Zeitalter der „knowledge-economy““ – was bedeutet das explizit?
Prof. Dr. Martin Užik: Hier an dieser Stelle müssten wir schon genauer nachfragen, was Sie denn mit knowledge economy meinen? Ich unterstelle, dass Sie hier die Wissens- und Informationsökonomie oder das Wissensmanagement meinen. Um es zu präzisieren, das Wissen begleitet und prägt maßgeblich die menschliche Evolution und diese wird sich nie ändern. Wissen bedeutet Überleben. Daher wird es uns auch in der Zukunft begleiten. Uns ist an dieser Stelle wichtig, die Bedeutung dieser Tatsache zu verbreiten und die Menschen zum Nachdenken zu motivieren, da wir auch dafür sorgen müssen, dass das von uns generierte Wissen von den künftigen Generationen verwendet (genutzt und vor allem gelesen) werden kann. Somit bedeutet es, dass wir in eine neue Epoche eingetreten sind, in der theoretisch und zum größten Teil auch praktisch, über kostenfreies Wissen verfügt und dieses weiter entwickelt und vermehrt werden könnte.
5. Herr Prof. Dr. Uzik, Sie leiten unter anderem eine Professur für Betriebliche Finanzierungs- und Investitionspolitik an der HWR. Inwiefern ist diese direkte Nähe zur Generation Y für Sie selbst eine Bereicherung?
Prof. Dr. Martin Užik: Die Nähe zu den jüngeren Generationen ist entscheidend. Diese jungen Menschen kennen die Lösungen für die zukünftigen Probleme. Wir leider nicht. Wir kennen nur die Lösungen für die aktuellen.
6. Herr Dr. Firnges, Sie bringen enorm viel praktische Erfahrung aus der Finanzbranche mit. Wie ist die deutsche Finanzbranche aktuell aufgestellt, wo besteht Ihrer Meinung nach der dringlichste Handlungsbedarf?Dr. Jan Peter Firnges: Die Finanzindustrie steht derzeit den größten Herausforderungen gegenüber. Einerseits durch die sich verändernde Einkommensseite bzw. das geänderte Zinsumfeld, die höheren regulatorischen Vorschriften, gerade bei Banken und Versicherungen, bzw. der Fondindustrie, aber auch durch die Innovationskraft der neuen Teilnehmer. Auch hier werden Produktstärke und Umsetzungsstärke entscheidend sein. Sicherlich werden sich die traditionellen Teilnehmer durch Kooperationen oder Zukäufe und eigene Forschungsarbeit stärken, aber einige werden auch de-selektiert.
Der größte Handlungsbedarf liegt in schlanken Forschungs- und Entscheidungsstrukturen und der Entwicklung von Mut, neue Wege, gerade in der Konzernwelt, zu beschreiten.
7. Sie haben Ihren Forschungsschwerpunkt auf die Umformung von Politik und Gesellschaft durch die zunehmende Digitalisierung gelegt. In welcher Veränderung sehen Sie beide am meisten Potential?
Prof. Dr. Martin Užik: Wir stehen vor sehr vielen Herausforderungen, die auch schon kurzfristig gemeistert werden müssen. Wir möchten für die Gesellschaft einen Beitrag leisten, der es ermöglicht das generierte Wissen optimal zur weiteren Steigerung der Wohlfahrt einzusetzen. Und natürlich hoffen wir, dass unsere Erkenntnisse konstruktiv diskutiert werden und für den/die eine/einen eben eine gute Grundlage für positive Entscheidungen bilden werden.
Dr. Jan Peter Firnges: Eine der größten Herausforderungen für mich/uns, liegt in Bereichen, die wir heute noch gar nicht richtig abschätzen können. Die Forschungsaktivität Vieler liegt derzeit in der Machbarkeit, doch werden wir Bereiche auch unter anderen Gesichtspunkten betrachten müssen – ich denke hier an selbstfahrende Autos, die Entscheidungen treffen, wo der geringere Schaden ist, aber auch in Marketing- oder verkaufsoptimierende digitale Veränderungen, die erkennen, ob ein Kunde positiv einem Produkt gegenübersteht oder negativ. Hier liegt sicherlich das größte Industriepotential: Bessere Vermarktung durch besseres Verstehen der Kunden, durch größere Datenmengen und deren Inhalte, aber auch durch Analyse der Empfindungen der Kunden.
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